Fünf Minuten vor zwölf?

Liebe Patientinnen,
liebe Patienten,
es ist eine kleine Tradition, dass ich einmal kurz vor Weihnachten das Jahr Revue passieren lasse. In diesem Jahr hatte ich meine große Mühe mit einem Text, der meine Ängste und Sorgen ausdrücken und gleichzeitig meine Dankbarkeit für all das Wunderbare, das ich erleben durfte, beschreiben sollte. Um es kurz zu machen: das Jahr 2016 war für uns alle kein leichtes.

Doch mein Text ist nur wenige Stunden alt und schon Geschichte. Zum wiederholten Male erreicht der Terror Deutschland. In Berlin sterben ein Dutzend Menschen, die einfach nur auf einem Weihnachtsmarkt ein wenig entspannen, sich vielleicht bei einem Glühwein etwas in Weihnachtsstimmung bringen wollten. Feige, brutal, ohne jede Moral. Ich bin fassungslos. Ich bin traurig.

Wütend macht mich obendrein die Tatsache, dass nur wenige Minuten (!) nach dem Anschlag rechte Gruppierungen diese Tat für ihre politischen Ziele instrumentalisieren. Frau Merkel, sogenannte Gutmenschen und Flüchtlinge im Allgemeinen seien schuld – das ist genauso anstands- wie instinktlos.

Das Jahr 2016 war – wie ich aus zahlreichen und meistens sehr intensiven Gesprächen mit Ihnen erfahren habe, ja generell kein einfaches. Für viele war es bestürzend und beängstigend. Exemplarisch denke ich an das große Unrecht und das unermessliche Leid in Aleppo.

Aber auch wenn mich alles unendlich traurig macht, ich möchte nicht, dass diese Trauer in Bitterkeit umschlägt, die droht, mich aufzufressen.

Es gibt auch Wunderbares zu berichten, das sich häufig genug im Alltag versteckt. Schaue ich auf das vergangene Jahr zurück, stelle ich fest, dass ich überaus dankbar für mein Team bin. Sie haben nicht nur zugelassen, dass ich in diesem Jahr eine längere Auszeit nehmen konnte, um meine Tochter in Australien zu besuchen. Sie haben in dieser Zeit auch ohne mich die Praxis perfekt weitergeführt. Das ist nicht selbstverständlich. Das ist ein großes Glück!
So schön meine Auszeit war, ich bin gerne zurückgekehrt.

Wir alle, die in der Praxis arbeiten, sind in diesem Jahr erneut mehr zusammengewachsen (verantwortlich dafür ist nicht nur ein mehrtägiger Serverausfall, der die Praxis von jetzt auf gleich in die digitale Steinzeit katapultiert hat).  Es sind keine Floskeln: wir schätzen, mögen und respektieren uns. Für mich ist das Arbeiten mit diesen großartigen Menschen ein wunderbares Privileg.

In diesen Wochen erreichten uns Ihre guten Wünsche in Form von Karten und Geschenken. Damit machen Sie uns eine  Riesenfreude. Ich sage herzlichen Dank.

Aber – vor allem – danke ich Ihnen, weil Sie Ihre Gesundheit, bisweilen auch Ihre Sorgen in unsere Hände legen, respektive unsere Herzen und unsere Köpfe transportieren. Wir werden auch 2017 gern für Sie und mit Ihnen unser Bestes geben.

Sie werden es auf Anhieb erkannt haben. Das Foto zeigt die Berliner Gedächtniskirche, in deren Schatten sich das schreckliche Verbrechen ereignet hat. Beim näheren Betrachten fiel mir die Kirchturmuhr auf. Die Uhrzeit, die sie anzeigt ist genauso zufällig wie mahnend.
Ich wünsche Ihnen, auch im Namen meiner Mitarbeiter, gesegnete Weihnachten und geben wir dem Jahr 2017 alle Chancen, damit es ein gutes werden kann.

Ihre
Dr. Astrid Gendolla

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